Stressmanagement für Promovierende (I): 12 Ursachen für Stress während der Promotion

Kannst du dich nicht gut konzentrieren?

Ziehst du dich zurück oder bist häufig gereizt?

Ist dir oft alles zu viel?

Spürst du Druck von Innen oder Außen, besonders gute Leistung zu bringen?

Fühlst du dich überlastet, vielleicht, weil du zusätzlich zur Promotion eine Stelle an der Uni oder an einem Forschungsinstitut hast oder neben dem Beruf promovierst?

All das können Zeichen dafür sein, dass du gestresst bist. Und das wäre auch kein Wunder – in der Promotionszeit begegnen dir viele innere und äußere Stressoren, die es oft erfordern, dir neue Strategien im Umgang mit Stress zuzulegen.

Deshalb möchte ich dir in diesem und weiteren Blogartikeln Wege aufzeigen, wie du wieder in Ruhe und produktiv an deiner Dissertation arbeiten kannst, einen besseren Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit schaffst sowie zufriedener mit dir selbst wirst. Die Fähigkeit zu guter Selbstführung auf Basis einer ausgeprägten Stresskompetenz ermöglicht dir, dein Stresslevel selbständig zu regulieren und trägt damit zum selbstbestimmten wissenschaftlichen Arbeiten bei.

In diesem Artikel geht es erstmal darum, was Stress eigentlich ist und welche möglichen Ursachen Stress während der Promotion haben kann.

Was ist Stress und wofür ist er gut?

 „Ich bin so gestresst“. – Ein Satz, den du und ich mindestens schon einmal in unserem Leben gedacht oder gesagt haben, höchstwahrscheinlich jedoch sehr oft – wie viele andere Menschen weltweit auch. Denn Stress scheint die Epidemie des 21. Jahrhunderts zu sein. Was erstaunlich ist: Der Begriff selbst ist relativ neu. Er wurde erstmals 1914 durch den  amerikanischen Physiologen Walter Cannon zur Beschreibung von menschlichen Reaktionen auf Alarmsituationen verwendet. Das ist bis heute relevant, denn „Stress“ ist im Prinzip ein fancy Wort für Angst.

Das Phänomen „Stress“ gibt es insofern bereits seit der Steinzeit. Stress- bzw. Angstreaktionen haben uns damals vor hungrigen Säbelzahntigern geschützt, indem sie uns in anstrengenden oder schwierigen Situationen in die Lage versetzt haben, Höchstleistung zu bringen, um zu überleben. Unter körperlicher und psychischer Belastung steigen Blutdruck und Puls, die Atmung wird schneller. Die Hormone Adrenalin, Cortisol und Noradrenalin werden ausgeschüttet und so werden u. a. das Gehirn und die Muskeln mit Energie versorgt.

Vielleicht hast du schon von „freeze, fight or flight“ gehört als den drei Reaktionsmustern, die uns bei starker Angst bzw. starkem Stress zur Verfügung stehen: Stress lässt uns in belastenden Situationen schnell handeln und macht den Körper bereit, sich totzustellen, zu kämpfen oder zu fliehen – oder, heutzutage: besondere Leistungen zu bringen.

Positiver vs. negativer Stress

Positiver Stress oder Eustress zeichnet sich dadurch aus, dass eine Belastung gut gemeistert werden kann und wir für kurze Zeit leistungsfähiger werden können. Dazu gehört zum Beispiel die Aufregung vor einem wichtigen Ereignis wie einem Vortrag oder der Disputation oder die Anspannung, wenn du eine wichtige Deadline einhalten willst.

Negativer Stress, auch Distress genannt, entsteht, wenn die Alarmbereitschaft von Körper und Geist zum Dauerzustand werden und die Anforderungen nicht zur eigenen Zufriedenheit bewältigt werden können.

Kurze Phasen von Stress gehören also zum Alltag.

Problematisch wird er nur, wenn wir entweder 1.) nicht nur punktuell mal in einer Stresssituation sind, sondern permanent von Stressoren umgeben sind, die zu chronischem Stress führen und/oder wir 2.) keine Strategien haben, Stress abzubauen, d.h., dem Körper die Möglichkeit geben, das unter Stress produzierte Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin wieder loszuwerden, wie es bei den klassischen Angstreaktionen fight, flight und freeze möglich ist.

In dem Zusammenhang hat der Biophysiker und Psychologe Peter Levine etwas spannendes herausgefunden, das später eine der Grundlagen seiner Traumatherapie-Methode Somatic Experiencing geworden ist: Tiere, die mit totstellen auf eine Stresssituation reagieren, schütteln sich in der Regel danach, bauen so die Stresshormone ab und leben weiter, als wäre nichts gewesen. Aber wann hast du dich das letzte Mal geschüttelt, nachdem du Stress hattest? Siehst du. Tiere, die daran gehindert wurden, sich zu schütteln, sind übrigens traumatisiert geblieben.

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Folgen von Stress und Symptome von zu viel Stress beim Promovieren

Ganz wichtig zu wissen für dich und die Arbeit an deiner Promotion: Langfristiger Stress ohne ausreichend Entspannungsphasen hemmt und blockiert die Leistungsfähigkeit. Bei jeder Person zeigt sich Stress unterschiedlich. Ausgeprägter Distress kann z. B. ängstlich und traurig, aber auch gereizt oder launisch machen.

Während meiner Promotion habe ich die Auswirkungen von chronischem Stress das erste Mal während eines Forschungsaufenthaltes in London gespürt – ich habe davon schon kurz im letzten Blogartikel geschrieben – hier noch ein paar Details dazu:

Ich verbrachte 8 Wochen an der British Library, hatte hohe Ansprüche an meine Forschungsarbeit in dieser Zeit, stand unter Zeitdruck und hatte niemanden, mit dem ich mich über meine Arbeit austauschen konnte. Ab etwa der 5. Woche entwickelte ich deutliche Stress-Symptome: Meine Motivation sank, ich konnte mich nicht mehr konzentrieren, ich schlief schlecht ein und kam schlecht aus dem Bett, ich entwickelte starke Selbstzweifel und negative Gedankenschleifen und ich machte „Stress-Essen“, um mich nicht mit den unangenehmen Gefühlen auseinanderzusetzen.

Nach diesem Forschungsaufenthalt benötigte ich 5 (!) Wochen, in denen ich absolut nichts (!) für die Promotion machte, um mich zu erholen und wieder Lust aufs Arbeiten zu bekommen.

Hier eine Liste von Symptomen von zu viel Stress für dich zum Abgleich:

  • Ein- und Durschlafprobleme
  • Appetitverlust/Stressessen
  • Kopfschmerzen
  • Chronische Müdigkeit
  • Magenprobleme
  • Druck im Brustbereich
  • Muskelverspannungen
  • Negative Gedanken, „Gedankenkreisen“
  • Selbstzweifel
  • Schuldgefühle
  • Konzentrationsprobleme, Vergesslichkeit
  • Reizbarkeit, Aggressivität
  • Rückzug
  • Nicht mehr in der Lage sein, auch nur kleine Dinge zu tun

Wenn du solche Symptome auch kennst – nimm sie bitte ernst! Denn chronischer Stress kann zu langfristigen Schäden und Krankheiten führen, darunter Depression, Herzprobleme, Stoffwechselprobleme oder Nierenschäden.

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Was stresst dich während der Doktorarbeit?

Bevor ich in einem der nächsten Blogposts auf Möglichkeiten zur Stressbewältigung eingehe, lass uns zunächst mal schauen, was dich eigentlich stresst. Die Ursache(n) zu finden ist ein wichtiger Baustein für deine ganz persönliche Strategie zum Umgang mit Stress.

Im Fachjargon nennt man diese Stress-Auslöser „Stressoren“. Sie können exogen sein, also außerhalb von dir liegen (z. B. Deadlines, die dir vorgegeben werden, oder Menschen oder Strukturen, mit denen du interagierst), oder endogen sein, also in dir selbst liegen (z. B. deine eigenen Ansprüche an dich selbst oder bestimmte Denk-, Handlungs-und Emotionsmuster).

Schau mal zurück: Wann hast du dich in letzter Zeit getrieben oder überfordert gefühlt? Was waren die äußeren Kennzeichen dieser Situation(en) – z. B. Deadline, involvierte andere Personen? Was waren die „inneren“ Kennzeichen dieser Situation(en) – z. B.: Welche Ansprüche hattest du an dich selbst?

Aus meiner eigenen Erfahrung heraus und auf Grundlage von Coachings und Workshops mit über 200 Promovierenden habe ich im Folgenden einige typische Stressoren während der Promotion zusammengestellt.

1. Zeitdruck wegen auslaufendem Vertrag, Stipendium, Familienplanung oder Berufseinstieg

Zeitdruck kennen die meisten Promovierenden. Er kann aufgrund ganz verschiedener Rahmenbedingungen entstehen. Ob Promotion an einem Graduiertenzentrum, Graduiertenkolleg oder Sonderforschungsbereich, auf einer Stelle oder im Rahmen eines Stipendiums – eines ist allen gemein: Die Zeit (und das Geld!) zum Promovieren ist vorgegeben und begrenzt. Das ist an sich auch gut so, schließlich ist die Promotion eine Qualifikationsarbeit und kein Lebenswerk. Aber wenn du dich dem Ende deiner Vertragslaufzeit oder deines Stipendiums näherst und absehen kannst, dass du nicht ganz fertig wirst, kann dich das ungemein stressen und verhindern, dass du in der dir noch zur Verfügung stehenden Zeit noch dein Bestes geben kannst.

So ging mir das im dritten Jahr meiner Doktorarbeit, für die ich ein dreijähriges Stipendium hatte. Im dritten Jahr hatte ich eine schwere Schreibkrise und lag daher hinter meinem Zeitplan – im Juni war absehbar, dass ich nicht zum Oktober fertig würde. Das hat mich so gestresst, dass ich noch weniger als ohnehin schon arbeiten konnte. Erst durch die Zusage meiner Eltern, mich noch bis zur Fertigstellung finanziell zu unterstützen, konnte ich mich so entspannen, dass ich fertigschreiben konnte.

Zeitdruck kann auch durch die eigenen Lebensumstände entstehen. Viele von uns promovieren in der „Rush Hour des Lebens“ – in einer Zeit, in der viele wichtige Entscheidungen fürs Leben und Arbeiten getroffen werden.

Wenn du z. B. eine Familie gründen möchtest und als Frau während deiner Doktorarbeit deine biologische Uhr ticken hörst, kann dich das unter enormen Zeitdruck setzen. Du willst entweder möglichst schnell fertig werden, um dann ein Kind zu bekommen, oder du entscheidest dich vielleicht dafür, während der Promotion ein Kind zu bekommen, was wiederum besondere Anforderungen an dein Zeitmanagement stellt.

Auch die Berufsperspektive nach der Promotion kann dich zeitlich unter Druck setzen – wenn du nicht in der Wissenschaft bleiben willst, möchtest du vielleicht möglichst schnell fertig werden, um für dich relevante Berufserfahrung zu sammeln.

2. Geldsorgen während der Promotion

Das Thema finanzieller Druck kann mit dem Thema Zeitdruck verknüpft sein – wie in meinem Beispiel -, muss es aber nicht. Wenn du ein Stipendium bekommst, musst du regelmäßig Fortschrittsberichte einliefern, damit dein Stipendium verlängert wird. Das bedeutet, deine finanzielle Sicherheit ist mit deinem Fortschritt an der Doktorarbeit verknüpft. Das kann massiv stressen. Genauso wie befristete Verträge mit kurzer Laufzeit, von denen du kurz vor Ende erfährst, ob sie verlängert werden oder nicht.

Bei vielen Promovierenden ist zudem die Abschluss- und Übergangsphase finanziell nicht gesichert, so dass sich viele in den letzten Monaten der Promotion bereits für Stellen „für danach“ bewerben, was wiederum Kapazitäten für die Promotion frisst – neben die Geldsorgen tritt so noch der Zeitdruck als Stressor, wie bei mir.

Kommt es gar zum Stipendien- oder Jobverlust während der Promotion, ist das natürlich ein großer Stressfaktor: Laut der Holmes-und-Rahe-Stress-Skala gehört der Verlust des Arbeitsplatzes zu den 10 stressigsten Lebensereignissen, die ein Mensch neben einschneidenden Ereignissen wie Tod eines Ehespartners, Scheidung oder eigener Krankheit haben kann.

3. Perfektionismus: Das Gefühl, dass es nie (gut) genug ist

„Das ist nicht gut genug.“ Wie oft hast du schon diesen Satz gedacht? Na klar: Es ist wichtig und richtig, den Forschungsstand zu erfassen und qualitativ hochwertige Forschungsarbeit zu leisten. Aber Forschung ist auch ein Prozess: Niemals fertig und stets zu ergänzen. Es gibt daher IMMER noch mehr Paper zu lesen, die vielleicht etwas zu deiner Doktorarbeit hinzufügen könnten.

Die eigenen, zu hohen Ansprüche sind definitiv in der Top 3 der Stressoren für Promovierende.

Das ist auch nicht verwunderlich, denn die Regeln für wissenschaftliches Arbeiten und das Wissenschaftssystem ziehen tendenziell Personen an, die sehr leistungsbereit sind und perfektionistische Tendenzen haben. Diese beiden Persönlichkeitszüge können während der Promotion immer weiter herausgekitzelt werden, bis sie die Arbeit schließlich mehr behindern als ihr guttun.

Aus dem hilfreichen Antrieb, einen wichtigen und sinnvollen Beitrag zur Forschung leisten zu wollen, wird bei vielen die Angst, die (selbst) hoch gesteckten Erwartungen nicht erfüllen zu können. Dieses Gefühl kenne ich sehr gut, denn genau das war eine Hauptursache für meine Schreibblockade.

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4. Erwartungen der Doktormutter/des Doktorvaters

Manchmal sind es jedoch auch die Betreuer:innen, die dich mit ihren hohen Erwartungen stressen. In meinen Coachings erzählen mir Promovierende oft, dass sie ihre Dissertation oder ein Paper endlich einreichen wollen, aber immer und immer wieder Verbesserungswünsche von ihrer Doktormutter oder ihrem Doktorvater bekommen.

Leider gibt es einige Betreuer:innen, die selbst sehr perfektionistisch sind und diese Ansprüche unreflektiert auf ihre Doktorand:innen übertragen. Aufgrund des Abhängigkeitsverhältnis, in dem du dich befindest, kann es sehr anstrengend und angstbesetzt sein, zwischen den Vorstellungen deiner Betreuer:innen und deinen zu navigieren.

5. „Erwartungs-Erwartungen“ von Betreuer:innen der Doktorarbeit

Stellen deine Betreuer:innen wirklich so hohe Anforderungen an dich, wie du glaubst? Ganz wichtig: Unterscheide zwischen tatsächlichen Erwartungen deinen „Erwartungs-Erwartungen“. Tatsächliche Erwartungen sind solche, die ausgesprochen sind oder dir in Form von schriftlichem Feedback vorliegen. „Erwartungs-Erwartungen“ sind die, die in deinem Kopf entstehen, wenn du an deine Betreuer:innen denkst.

Diese „Erwartungs-Erwartungen“ entstehen z. B. aus bisherigen Interaktionen. Hast du viel Lob bekommen, denkst du vielleicht, dass die Erwartungen deines Betreuers jetzt total hoch sind und willst dem gerecht werden. Hast du viel Kritik bekommen, erwartest du vielleicht, dass auch dein nächstes Kapitel/Paper mit sehr kritischem Blick gelesen wird, und willst es diesmal „richtig“ machen. Egal wie – „Erwartungs-Erwartungen“ führen in der Regel zu Stress. Mach‘ den Reality-Check und überlege dir vor allem, was sinnvolle und realistische Erwartungen für DICH sind.

6. Konflikte in der Partnerschaft: die Doktorarbeit als Bewährungsprobe

Länger andauernde Konflikte mit der:dem Partner:in können sehr belastend sein, da sie zu Instabilität eines der Grundpfeiler deines Lebens führen. Vielleicht trägt auch die Promotion selbst bzw. dein Umgang mit den Herausforderungen, die sie für dich birgt, dazu bei, dass es Spannungen in deiner Partnerschaft gibt.

Erleben wir die Promotion als stressige Zeit, wünschen wir uns oft von unserer:em Partner:in besonders viel Verständnis und vielleicht auch Ausgleich zu unserem Arbeitsalltag. Und unser:e Partner:in wiederum wünscht sich ein Leben mit uns, das nicht die ganze Zeit von unserer Promotion überschattet ist. Die Promotionszeit ist oft für beide Partner:innen eine besondere Herausforderung, die auf beiden Seiten viel Reflektion, Kommunikation und Empathie erfordert.

7. Promovieren als Erste:r in der Familie („Arbeiterkind“, „Erste Generation Promotion“): Herausforderungen mit der Herkunftsfamilie

Wenn du die:der Erste in deiner Familie bist, die:der promoviert (und vielleicht auch studiert hat), kann es sein, dass sich während der Promotion besondere Herausforderungen mit deiner Herkunftsfamilie entwickeln. Diese können sowohl bewusst wie auch unbewusst für Stress sorgen.

  • Vielleicht machst du die Erfahrung, dass Familienangehörige kein Verständnis für deine Probleme haben, das Schreiben einer Dissertation nicht als „Arbeit“ ernst nehmen oder sich überhaupt nicht dafür interessieren, mit was du dich beschäftigst.
  • Vielleicht unterstützt dich deine Familie zwar prinzipiell, kann aber überhaupt nicht nachvollziehen, was „promovieren“ bedeutet.
  • Vielleicht hast du unbewusst das Gefühl, dass du dich mit jedem Fortschritt an der Promotion von deiner Herkunftsfamilie wegbewegst, was dir unbewusst Angst macht. Manchmal führt diese Angst sogar dazu, dass du Fortschritte an deiner Doktorarbeit selbst sabotierst.

Egal wie sich die Herausforderungen äußern: Ihnen ist gemein, dass sie dazu führen können, dass du dich einsam fühlst – einer der größten Stressoren für uns Menschen (siehe Punkt 12).

8. Viele, konfligierende Rollenerwartungen

Wie viele Rollen hast du gerade? Doktorand:in? Angestellte:r? Selbstständige:r? Ehepartner:in? Kind? Schwester? Bruder? Mutter? Vater? Freund:in? Vereinsmitglied?…?

 Du wirst feststellen: Da kommt einiges zusammen. Und mit jeder dieser Rollen sind eigene Erwartungen verknüpft – von anderen an dich und von dir an dich selbst (und dann sind da ja auch noch die „Erwartungs-Erwartungen!). Teilweise stehen diese Erwartungen auch miteinander in Konflikt, weshalb die Vereinbarkeit von Promotion, Lohnarbeit, Partnerschaft und Elternschaft für viele ja auch so ein Drahtseilakt ist.

Rollenkonflikte können ebenso stressen wie der Anspruch an sich selbst, immer allen Ansprüchen gleich gerecht zu werden oder immer „in Balance“ zu sein.

9. Angst vor Kritik, Bewertung der Doktorarbeit oder der Disputation

Du hast viel Zeit und Energie in deine Promotion investiert und möchtest die Doktorarbeit wahrscheinlich so gut wie möglich erfolgreich abschließen – deshalb ist es dir wichtig, was andere, insbesondere die Gutachter:innen und das Promotionskomitee, von deiner Dissertation halten. Das ist verständlich und liegt in der Natur des Systems, in dessen Rahmen du promovierst.

Problematisch wird es allerdings, wenn du aufgrund von Angst vor Kritik oder schlechter Bewertung beim Schreiben schon versuchst, sämtliche mögliche Kritikpunkte vorwegzunehmen – denn das ist schlichtweg unmöglich und wird dich daher extrem unter Stress setzen.

10. Angst davor, nach der Promotion keine guten Berufsaussichten zu haben

Hast du schon viele Schaudergeschichten gehört, wie du mit einer Promotion, vor allem in den Geisteswissenschaften, dein ganzes Leben als Taxifahrer:in arbeiten wirst?

Die Angst davor, nach der Promotion keinen erfüllenden Job zu finden, kann einen ganz schön fertigmachen.

Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Genau diese Angst hat nämlich auch ordentlich zu meiner Schreibblockade beigetragen. Weil ich so große Angst vor der Zeit „danach“ hatte (in der ich vermeintlich keinen Job finden würde), hatte ich auch keinen Ansporn, meine Promotion fertig zu machen. Ein Teufelskreis: Je länger ich brauchte, desto größer wurde meine Angst, mit jedem Monat, den ich länger in der Wissenschaft blieb, ungeeigneter für den Arbeitsmarkt außerhalb zu werden.

11. Rassismus-, Sexismus- und Klassismuserfahrungen sowie andere Formen der Diskriminierung als Doktorand:in

Leider machen Rassismus, Sexismus und Klassismus und andere Formen der Diskriminierung auch nicht vor der Wissenschaft halt. Sie können dir offen oder ganz subtil begegnen und sowohl von Personen aus deinem Umfeld sowie den Systemen ausgehen, in denen du dich bewegst.

Die Wissenschaft ist nach wie vor ein System (auch wenn sich das u. a. dank der Gleichstellungs- und Diversitätsarbeit an den Hochschulen langsam ändert), das weiße, männliche Subjekte aus Akademiker:innenfamilien begünstigt. Wenn dich das nicht definiert, kann es sein, dass du strukturelle Diskriminierung spürst oder sogar direkte Diskriminierung durch Mit-Promovierende, Kolleg:innen, Betreuer:innen oder andere Personen erfährst.

Beide Formen der Diskriminierung sorgen für Stress, weil du immer das Gefühl hast, nicht richtig reinzupassen und nicht „gut genug“ zu sein. Die Entwicklung von Impostor-Syndrom (Hochstapler-Syndrom) und den damit verbundenen Kompensationsmechanismen kann eine Folge sein.

Ein Beispiel aus meiner Coachingpraxis zum Thema Rassissmus:

Eine Coachee von mir hat berichtet, dass die Kolleg:innen in ihrer Arbeitsgruppe außer im direkten, arbeitsbezogenen Kontakt in ihrer Anwesenheit konsquent Deutsch gesprochen hätten, obwohl sie wussten, dass sie nur Englisch spricht. So wurde sie subtil aus ihrer Arbeitsgruppe ausgeschlossen. Selbst ihr Doktorvater, der gleichzeitig ihr Chef war, achtete in Gruppenbesprechungen nicht darauf, dass durchgängig Englisch gesprochen wird. Das hat meine Coachee nicht nur gestresst, sie entwickelte in Folge sogar eine Depression (für die sie auch in Behandlung war).

12. Einsamkeit beim Promovieren

Verbringst du viel Zeit alleine? Hast du das Gefühl, niemand versteht dich und deine Probleme? Traust du dich nicht, offen mit anderen Doktorand:innen oder deinen Betreuer:innen über deine Fragen, Zweifel und Schwierigkeiten zu sprechen, weil du Angst hast, dir eine Blöße zu geben?

Wissenschaftliches Arbeiten kann unglaublich einsam machen.

Das verschärft sich nochmal, wenn du die:der einzige in deinem Umfeld bist, der:die promoviert. Vielleicht hörst du dann gut gemeinte Ratschläge wie „Stress‘ dich nicht so“ oder „Das schaffst du schon“, die dir allerdings nicht helfen, sondern nur noch mehr zu Leidensdruck und Einsamkeit beitragen.

Ich habe es oben schonmal erwähnt: Einsamkeit gehört zu den größten Stressoren für uns Menschen. Denn früher (und das ist noch gar nicht so lange her) war der Ausschluss aus unserem „Tribe“ in der Regel gleichbedeutend mit einem Todesurteil, weil wir alleine nicht überleben konnten.

Wenn ich rückblickend sagen soll, was ich am schlimmsten an der Promotionszeit fand und was gleichzeitig die größte Hebelwirkung gehabt hätte, wenn ich es hätte ändern können, dann ist es das Gefühl der Einsamkeit. Während meiner Schreibblockade habe ich wenigen Menschen davon erzählt, und diejenigen, denen ich es erzählt habe, konnten nicht verstehen, was mit mir los war. Der größte Hebel wäre mehr Austausch mit anderen in meiner Situation gewesen, weil ich dann festgestellt hätte, dass ganz viele ähnliche Schwierigkeiten haben, und viele diese auch schon überwunden haben.

Das ist auch der Grund, warum ich die Online-Community für Promovierende ins Leben gerufen habe.

Meine Vision ist, dass sich nie wieder ein:e Doktorand:in alleine fühlen muss mit den Erlebnissen während der Promotion. Ich möchte, dass alle jederzeit die Möglichkeit haben, sich zu Fragen und Problemen auszutauschen und die Erfahrung zu machen: Alles hat einen Grund, und für alles gibt es eine Lösung.

Wenn du Lust hast, dabei zu sein, kannst du hier mehr über die Community erfahren und dich für die Warteliste anmelden.

Wenn du Unterstützung zum Umgang mit einem der anderen genannten Stressoren möchtest, schau dir gern meine Coachingangebote an.

Ich bin neugierig: Erkennst du einige der Stressoren bei dir wieder? Welche Stressoren kennst du noch, die ich nicht erwähnt habe? Ich freue mich über deinen Kommentar!

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